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Eintrag & Kommentare

Die kleine Versetzerin
Von Unbekannt (Mitgliedschaft beendet), 29.11.2010, 22:06

 

 

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Die kleine Versetzerin

Mütterchen weint und Kindlein lacht,
und droben funkelt der Stern der Nacht
blicket so freundlich, als wollte er sagen:
Armer, hör' auf zu weinen, zu klagen
auch die Nacht hat ja ihr Sternenlicht
und Gott verlässt die Seinen nicht.

Mütterchen weint und Kindlein lacht,
dieweil es dem Püppchen ein Hütchen macht.
Springt dann zum Mütterchen hin und spricht:
"Ach, schau und freu dich und weine nicht,
gib mir und meinem Püppchen nun die Jause,
damit wir uns gütlich tun. Ein Stückchen Brot nur."
Da weint noch mehr das Mütterchen,
denn der Kasten Brot ist leer.

"Mein Kind, mein Kind, mein liebliches Kind
und wenn ich die Augen mir weine blind,
ich habe nichts mehr ins Leihhaus zu tragen
und morgen wird man vom Häuschen uns jagen."

Drauf senkt die Arme das Haupt auf ihr Kissen,
das Kind, es schlummert zu ihren Füßen.
Bleich, hungrig, es lacht nicht wie eh,
denn ach, der Hunger tut gar so weh.

Die Glocke verkündet den kommenden Tag
und mit dem zehnten Glockenschlag
tummeln im Leihhaus bunt herum
viel blasse Gestalten, traurig und stumm.
Das Elend, die Not, die Schuld wohl auch,
sie setzen ihr Gut ein nach altem Brauch.

Und hinter dem Schranke steht ein Mann,
man sieht ihm den Ernst des Lebens an.
Sein Antlitz ist hart, starr ist sein Blick,
barsch weist der die drängende Menge zurück:
"Geduld, nur warten, 's kommt jeder dran,
die Ordnung ruft immer nur Mann um Mann."

Drauf nimmt er prüfend Bund um Bund
und schätzt das Versatzstück mit ernstem Mund.
Er ruft den nächsten mit rauhem Wort
und schickt den andern zur Kassa fort.

Doch horch, was tönt da so zart und fein:
"Ach lieber Herr, darf ich jetzt herein?"
Der Taxator blickt auf. "Beim Himmel,
da drängt sich ein Kind durch 's bunte Gewimmel.
Was willst du, Kleine?"
"Ach Herr, versetzen."
"Was, brauchst wohl Mandeln und Zuckerbrötchen,
Pastetchen, Törtchen und Studentenfutter?"
"Ach nein, lieber Herr, nur Brot für die Mutter."
"Was, Brot, ei lass dein Versatzstück sehn!"

Dem Kind jetzt die Äugelein übergehn.
Es kann nicht sprechen, es wickelt bloß
aus dem Schürzenchen sein Ännchen, die Puppe
und reicht sie dem Herrn Taxator hinauf
und Tränlein um Tränlein perlt darauf.
dann lispelt die Kleine: "Bitt', bitt' lieber Herr,
leiht einen Gulden auf 's Püppchen her."

Dem eisernen Mann, der gewohnt zu befehln
will jetzt eine Träne aus dem Auge sich stehln.
Stumm steht er, stumm lauscht die wogende Menge
es wird ja gar vielen im Herzen zu enge.
Mit tiefbewegter Stimme der Taxator drauf spricht:
"Mein Kind, die Puppe nehme ich nicht.
Behalte dein Ännchen und bleibe ein Engel an Seele und Leibe.
Ich will für dich sorgen, du liebliches Kind,
das melde der weinenden Mutter geschwind."

Da tönet ein Jubel durch 's ganze Haus
und viele geleiten das Kind hinaus
und bringen Gaben der Mutter dar,
die, seit sie lebte, so reich nicht war.

verfasser unbekannt

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Anonym(Gast), 24.11.2021, 21:33

Meine Oma hat mir immer als Kleinkind so schöne Gedichte gesagt an die ich mich gerne erinnere. Bei der Feier ihres 80. Geburtstages haben wir sie gebeten, das Gedicht vom dem armen Kind aufzusagen, daß ihre Puppe zum Leihamt trägt, um Brot für die Mutter zu bekommen. Leider hat sie damals den Text nicht mehr vollständig aufsagen können. Ich habe immer wieder versucht diesen Text aufzutreiben und bin heute durch Zufall auf Ihre Webseite mit dem Text über dieses Gedicht gestoßen. Jetzt bin ich selbst Oma und freue mich riesig mit 88 Jahren dieses Gedicht gefunden zu haben, wofür ich mich herzlichst bedanke.

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Joachim(Gast), 30.01.2011, 10:46

Dieses Gedicht meine Oma immer an Weihnachten rezitiert, und ich habe mir vor vielen Jahren den Text von ihr diktieren lassen. Ich habe den Zettel seither aufbewahrt und freue mich, dass ich diesen schönen Text jetzt auch hier gefunden habe.

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