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Du befindest dich in der Kategorie: Adventsgedichte Montag, 29. November 2010
Zum Weihnachtsbaum
Friede war im Wald und jeder Baum beglückt durch schöne, reife Frucht, womit der Herbst beschmückt die Äste all, daß jeder Zweig sich bieget bis hoch hinauf, wo leis`die Krone wieget. * Bis hoch hinauf, wo`s zum Segen will gedeihn, daß seine Frucht die schönste sei von allen, und jeder hing an seine längsten Äste als stolzes Aushängeschild der Früchte beste. * Es war ein herrlich Wogen bis zur Spitze, ein Wetten, wer das beste wohl besitze. Nur einen litt im Wald viel Weh und Gram und barg sich ins Gesträuch voll tiefer Scham. * Ein Tannenbäumchen war`s gar mächtig, schlank, wohl aller Früchte, auch der ärmsten blank, und während andre stolz im vollen Prangen hatt`es an seinem Stamm nur Nadeln hangen. * Nur dunkelgrüne Nadeln, scharf und spitz; sie stachen es, doch schärfer stach der Witz der andren und ihr Hohn, gar schal und widrig dem schlichten Bäumchen, weil`s so arm und niedrig. * Es flüsterte der Wald sich in die Ohren vom Taugenichts, der da umsonst geboren, und warf ihm boshaft gar zum Spott und Schmach die ersten gelben, dürren Blätter nach. * Das schnitt dem Bäumchen tief ins Herz, es wollte schier vergehen in Leid und Schmerz und weinte, tief bedrängt vom Weh, dem schweren das Harz heraus, die bittersten der Zähren. So duldete das Bäumchen still und fromm. * Da zog hernieder durch den mächtigen Dom ein Engel aus des Himmels heiligen Hainen, der sah den armen Dulder schmerzlich weinen. er ließ sich erdenwärts vom weiten Raum, zur armen Tanne spechend: "Liebster Baum! * Du warst bisher verachtet und verflucht, doch tragen wirst du noch die schönste Frucht, die je ein Baum getragen hier auf Erden, du sollst der Baum der höchsten Freude werden." * Wie wurde jetzt der Himmel trüb und grau! Es blies ein kalter Wind auf Heid`und Au`, er heult durch den Wald voll wilder Hast und rüttelte die letzte Frucht vom Ast. * Oh, bald war jeder Baum, der einst geprahlt, der Frucht und Blätter bar, gar kahl und alt, es fielen Flocken und es krächzten Raben, und sieh, der stolze Wald war wie begraben. * Nur jenes Bäumchen steht noch frisch und frei und grünt und flüstert sanft wie einst im Mai. * Und als die heilige Nacht gekommen war, da schwebte durch den Wald die Engelschar zum Bäumchen zart und trug es durch die Nacht in festlich aufgegangner Strahlenpracht. Peter Rosegger (1843-1918)
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