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Dienstag, 30. November 2010
Weihnachtszeit
Von Unbekannt (Mitgliedschaft beendet), 00:17

 

 

Weihnachtszeit

Tief verschneit im Tannenwalde steht ein Bäumlein. Du siehst seine Äste kaum unter dem weißen Pelzmantel. Unter seinen Zweigen dicht am Stamm kauert ein Häslein. Sie reden miteinander. Das Bäumlein spricht: "Mir hat es etwas Schönes geträumt, oh, etwas Wunderschönes! Die Sternlein vom Himmel kamen herunter und setzten sich auf meine Zweige. Der Schnee schmolz hinweg, und grün stand ich da in meinem Sternenkleid. Das war schön! Lass mich wieder schlafen! Ich will's noch einmal träumen."
Männer kommen in den Wald. Sie stapfen mühsam durch den hohen Schnee und durch die verschneiten, stachligen Brombeergebüsche. Sie tragen Beile und Sägen in der Hand. "Den Kleinen da müssen wir auch nehmen", sagte der ältere Mann. Das Bäumlein ist aus dem schönen Traum erwacht. Es zittert am ganzen Leibe. Rau wird es angefasst. Nun geht's ans Sterben, denkt es. Eine Säge knarrt. Und die Männer schleppen das Bäumlein auf den Karren am Waldrand.
"Kinder, in zwei Wochen ist Weihnachten!", sagt die Mutter und bringt das Kuchenbrett und Mehl und Teig ins Zimmer. Die Kinder jubeln: "Schon in zwei Wochen, hurra!" Die Mutter knetet den Teig und walzt ihn zu breiten Fladen. Mit den Formen schneiden sie Figuren aus dem Teig: Sterne, Ringe, Hörnchen, Püppchen und allerlei. "So", sagt die Mutter, "jetzt macht die Augen zu!" Alle machen die Augen zu. Die Mutter hat ein Tannenzweiglein hereingebracht. Das hält sie ins Kerzenlicht. Es knistert und sprüht. Die Kinder merken etwas. Sie schnüffeln in der Luft umher. Es riecht nach Weihnachten!
O du fröhliche, o du selige Weihnachtszeit! Geheimnisse überall! Jedes hat etwas zu verstecken. Wenn die Mutter unerwartet ins Zimmer kommt, fahren die Kinder mit der Arbeit unter den Tisch oder rufen: "Mutter, du darfst nicht schauen!" Wenn der Briefträger läutet, will alles zur Tür rennen. Aber nichts da! Die Mutter sagt, es seien Geheimnisse. Wenn der Vater und die Mutter zusammen sprechen, fangen sie plötzlich an zu flüstern. Die Kinder spitzen die Ohren. Aber es sind Geheimnisse. Die darf man nicht wissen. Und gerade die wüsste man so gern. O ihr bösen, lieben Geheimnisse!
Was ist aus unserem Bäumlein geworden? Das ist auch ein Geheimnis. Es steht in einer Dachkammer, ganz allein unter Koffern und Kisten, zwischen einer alten Badewanne und einem verschossenen Lehnstuhl. Was soll es mit dem alten Gerümpel anfangen? Da ist niemand, der seine Sprache versteht. Und was soll der dumme viereckige Holzschuh, in den man es gesteckt hat? Ach, wäre es doch im Wald bei seinem lieben Häslein geblieben! Die Sterne sind auch weg; es sieht sie nie mehr.
Aber es hat sie doch wiedergesehen. Sein Traum hat sich erfüllt. Das war ein schöner Abend! Leise kam eine gute Frau in die Dachkammer herauf und holte das Bäumlein herunter ins große Zimmer. Dort wurde es auf den Tisch gestellt. Rote Äpfel und goldene Nüsse hängte die gute Frau an seine Zweige. Und dann wurde es hell und immer heller. Strahlende Lichter überall! Ein Glöcklein klingelte. Eine Tür sprang auf. Eine Kinderschar jubelte herein. In ihren Augen strahlten die Lichter vom Baume, und alle waren glücklich, groß und klein.
Aus einem alten Schullesebuch (1945) von Otto von Greyerz

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